Javascript Menu by Deluxe-Menu.com
Chemie für Quereinsteiger - Band 4 - Ionen / Ionen: räumlich ungerichtete Bindefähigkeit - Spezielle Bautypen ternärer und anderer Ionengitter
7.5.2 Beteiligung zweier Ionensorten am Bau der dichtesten Packung

Bislang bildeten die Anionen die dichteste Packung und die Kationen gingen in die Lücken. Positive und negative Ionen zusammen können allerdings ebenfalls eine dichteste Packung bilden, wenn alle positiven Ionen nur von negativen Ionen umgeben sind. Zum Ausgleich negativer Ladungen der Kugelpackung wird dann ein Teil der Oktaederlücken oder der Tetraederlücken besetzt



Abb. 3.13

Abb. 7.24: Modellvorstellungen zum Perowskit-Gitter (CaTiO3)

Perowskit-Struktur. Eine solche Struktur, die ausgehend von der kubisch dichtesten Packung von Kationen und Anionen aufgebaut ist, wird im Kristallgitter der Substanz Perowskit verwirklicht.

Gehen wir zur Beschreibung der Anordnung der Teilchen von der Kubooktaeder Darstellung aus: die Kantenmitten und das Zentrum des Würfels sind von Ionen besetzt, die die dichteste Packung bilden. Bei dieser Darstellung ist das Teilchen im Zentrum ein Calcium-Ion Ca2+, das von zwölf Oxid-Ionen O2- umgeben ist. Die zwischen den Kobooktaedern verbleibenden Oktaederlücken werden mit Titan-Ionen Ti4+ belegt: das sind bei unserer Darstellung die Würfelecken (vgl. (1) in Abb. 7.24).

Man kann zur Beschreibung der Zahlenverhältnisse der Ionen die Koordinationszahlen zugrunde legen: Die Calcium-Ionen sind räumlich von zwölf Oxid-Ionen, die Titan-Ionen von sechs Oxid-Ionen koordiniert. Ausgehend von den Quadratmaschen folgt einer Schicht von Oxid-Ionen eine jeweils zweite Schicht, in der ein Calcium-Ion von vier Oxid-Ionen umgeben ist (vgl. (2) in Abb. 7.24). Stellen wir die kubisch dichteste Packung anhand von Quadratmaschen dar, dann ist jede zweite Schicht von Oxid-Ionen zur Hälfte gegen Calcium-Ionen ausgetauscht: in der Bilanz also ein Viertel der Oxid-Ionen. In der Perowskitstruktur sind am Bau der dichtesten Kugelpackung also Oxid-Ionen zu drei Viertel und Calcium-Ionen zu einem Viertel beteiligt. Die Oktaederlücken sind wegen der Ionenladungen nur zu einem Viertel mit Titan-Ionen besetzt.

Nehmen wir an, wir haben zum Bau der dichtesten Packung 300 Oxid-Ionen und 100 Calcium-Ionen verwendet, also 400 Ionen insgesamt. Dann sind von 400 zugehörigen Oktaederlücken 100 mit Titan-Ionen besetzt. Das führt zum Summensymbol (Ca2+)1(Ti4+)1(O2-)3 bzw. CaTiO3. Auch das Auszählen der Elementarzelle bestätigt das: 6/2 Oxid-Ionen, 1/1 Calcium-Ion und 8/8 Titan-Ionen.

Wir können die Perowskit-Struktur auch anhand des Gitters der Substanz Wolframtrioxid aufzeigen (vgl. Abb. 7.18): das beim Wolframtrioxid WO3 aus der kubisch dichtesten Packung entfernte Oxid-Ion wird wieder durch ein Ca2+-Ion ergänzt und das W6+-Ion durch ein Ti4+-Ion ausgetauscht.

Am Gitter des Wolframtrioxids WO3 haben wir ebenfalls gesehen, daß man aus dem Gitter-verband verschiedene Würfelausschnitte zur Information verwenden kann. Beim Perowskit-Gitter sind drei Beschreibungen üblich, je nach dem, welche Teilchensorte die Würfelecke beim Ausschneiden bilden soll (vgl. (3) in Abb. 7.24). Wählen wir Oxid-Ionen als Würfelecken, dann besetzen die Calcium-Ionen zwei gegenüberliegende Flächenzentren und die Titan-Ionen vier der Kantenmitten, die nicht den Calcium-Ionen benachbart sind (a). Das Auszählen der Elementarzelle bestätigt das Summensymbol.

Wählen wir die Calcium-Ionen als Würfelecken, dann besetzen die Oxid-Ionen die Flächenzentren und das Titan-Ion die Oktaederlücke im Würfelzentrum (b). Wählen wir die Titan-Ionen als Würfelecken, dann besetzen die Oxid-Ionen alle Kantenmitten und das Calcium-Ion die Würfelmitte (c). Es sei jedoch darauf hingewiesen, daß es sich dreimal um die gleiche Teilchenanordnung handelt.

Weitere Perowskite. Die Perowskit-Struktur ist genauso vielfältig durch andere Ionen besetzbar wie die Spinellstruktur. Dabei ist es nicht notwendig, daß die Teilchen die gleiche Ionenladung besitzen wie im beschriebenen Perowskit-Gitter - lediglich das Verhältnis der Ladungen der Ionen zueinander muß passen.

Beispielsweise können wir die Oxid-Ionen durch Chlorid-Ionen Cl- ersetzen, die zusammen mit Kalium-Ionen K+ die dichteste Kugelpackung bauen. Die Titan-Ionen werden durch Magnesium-Ionen Mg2+ ausgetauscht. Damit erhalten wir das Summensymbol (K1+)1(Mg2+)1(Cl1-)3 bzw. KMgCl3. Diesem Symbol entspricht eine Substanz mit dem Namen Carnallit. Sie bildet weiße Kristalle und ist ein häufig vorkommendes Mineral in den Salzlagern der Erde.

Allgemein ist es genügend, die Ladungen der positiven Ionen, die mit den Anionen am Bau der dichtesten Packung beteiligt sind, zusammen mit positiven Ionen in den Lücken der Packung zu kompensieren. Ersetzen wir im Perowskit die am Bau der dichtesten Kugelpackung beteiligten Ca2+-Ionen durch die einfach positiv geladenen Na+-Ionen, dann fehlt im Gitterauschnitt jeweils eine positive Ladung. Diese ist zusätzlich zu erhalten, wenn wir das vierfach positive Ti4+-Ion durch ein fünffach positiv geladenes Ion ersetzten, etwa durch ein Niob-Ion Nb5+. Die Bauweise bleibt dabei völlig erhalten, (Na1+)1(Nb5+)1(O2-)3 bzw. NaNbO3 muß dann das Summensymbol lauten.

Wir können aber auch im Perowskit die Teilchen in den Oktaederlücken paarweise austauschen, wie wir das beim Spinell bereits kennengelernt haben. Bauen wir eine Perowskitstruktur, in der Ba2+-Ionen und O2--Ionen am Bau der dichtesten Kugelpackung beteiligt sind. Die Oktaederlücken sollen mit Ti4+-Ionen besetzt sein. Es ist nun möglich die Ti4+-Ionen abwechselnd mit Calcium-Ionen Ca2+ und U6+-Ionen zu ersetzen. Die Ladungen beider Ionensorten gleichen sich zu 4+ aus.

Bei der Herleitung des Summensymbols müssen wir aber zwei Gitterausschnitte berücksichtigen: in einem besetzten U6+-Ion die Oktaederlücke, im anderen ein Ca2+-Ion. Wir erhalten (Ba2+)1(Ca2+)1(U6+)1(O2-)6 bzw. BaCaUO6. Es liegt auf der Hand, daß das letztgenannte einfache Summensymbol ohne Zusatzinformation nicht mehr zu deuten ist. Selbst wenn bekannt ist, daß hinter diesem Summen-symbol eine Perowskit-Struktur steckt, ist noch nicht klar, welche Teilchen die dichteste Kugelpackung bauen und welche sich in den Lücken befinden.