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Chemie für Quereinsteiger - Band 2 - Strukturen der Metalle und Legierungen - Verknüpfung unterschiedlicher Metall-Atome
5.2.2 Kennzeichen von Legierungskristallen

Der alltägliche Begriff Legierung ist schillernd und weicht einer genauen Definition aus. Das Wort stammt aus dem Lateinischen und bedeutet einfach "Verbindung". Man kann alles mögliche binden, Suppen und Soßen mit Ei und Mehl, das sind dann "legierte" Suppen und Soßen. In der Chemie wird der Begriff Verbindung heute allerdings im Sinne eines Stoffes gebraucht, der aus mindestens zwei Elementen bzw. Atom- oder Ionensorten besteht.

Historisch ist eine Legierung als Verbindung von Metallen jeglicher Sorte zu verstehen. Legierungen sind diejenigen chemischen Verbindungen, die sich einer systematischen Beschreibung am längsten widersetzt haben und noch widersetzen. Im Vergleich dazu hat man eine Systematik der Verbindungen der organischen Chemie oder der Kohlenstoffchemie sehr schnell gefunden.

In unserem Sinn können wir alle Kombinationen von Metall-Teilchen, die im Periodensystem „links und links“ gekoppelt werden, zu den Legierungen rechnen. Der Begriff Legierung bleibt damit aber eine relativ ungenaue, makroskopische Sammelbezeichnung für alle möglichen Kombinationen von Metall-Atomen.

Eine allgemeine Orientierung gibt in diesem Zusammenhang der Begriff Amalgam. Damit werden alle Legierungen mit Quecksilber als Bestandteil bezeichnet. Ein Amalgam ist demnach eine Verbindung von Quecksilber-Atomen mit anderen Metall-Atomen. Daraus ergeben sich die Ausdrücke Natriumamalgam, Goldamalgam oder Zinkamalgam. Der Zahnarzt verwendet bestimmte Silber-Zinn-Amalgame zur Füllung aufgebohrter Zähne. Diese Legierungsnamen geben aber keine Aufschlüsse über die Teilchenkombinationen und deren Strukturen. Wir werden den Begriff Legierung immer dann benutzen, wenn wir allgemein ausdrücken wollen, daß wir uns bei unseren Teilchenkombinationen ausschließlich "links und links" im Periodensystem bewegen.

Im letzten Abschnitt sind uns bereits die wichtigsten Merkmale von Metallkristallen begegnet. Um Unterschiede und Gemeinsamkeiten verschiedener Metallkristalle zu diskutieren, sei nochmals daran erinnert, daß zwei Materialien dann gleich sind, wenn sie die gleichen Teilchenarten im selben Zahlenverhältnis enthalten und die räumliche Anordnung der Teilchen übereinstimmt. Trifft eine der Aussagen nicht zu, handelt es sich streng genommen immer um verschiedene Materialien.

Wir haben gesehen, daß sich aus zwei Teilchenarten mit sehr unterschiedlichen Bindekräften nicht immer einheitliche Kristalle bilden müssen, sondern daß verschiedene Kristallsorten nebeneinander entstehen können. Insofern muß man sich bei jedem kristallinen Legierungsmaterial zuerst vergewissern, ob es sich aus einer oder aus mehreren Kristallsorten zusammensetzt: im ersten Fall wird es homogen genannt, anderenfalls heterogen.

Gitterstrukturen. Jede Teilchenart allein baut bei bestimmter Temperatur und bestimmtem Druck ein spezifisches Gitter auf. Die Kombination mit einer zweiten Teilchenart kann nun bewirken, daß die arteigene Gitterkonstruktion einer oder beider Teilchenarten erhalten bleibt, oder daß eine neuartige Gitterstruktur beider Teilchenarten entsteht.

Die Struktur des Kupferkristalls ist kubisch flächenzentriert, die des Zinkkristalls hexagonal dicht. Es kann bei der Kombination beider Teilchenarten vorkommen, daß sich Zink-Atome in das Kupfergitter einbauen, oder daß sich Kupfer-Atome in das Zinkgitter einbauen, ohne diese zu verändern. Es tritt aber auch der Fall auf, daß sich die Kupfer- und Zink-Atome in einem kubisch raumzentrierten Gitter anordnen. Das entspricht weder der angestammten Bauweise des Kupfers noch der des Zinks. Diese Tatsache werden wir später mit eigenen Begriffen belegen. Zunächst halten wir für den Zusammenbau unterschiedlicher Teilchenarten die Unterscheidungsmerkmale (1) und (2) fest:


Gitterstruktur wird...
...nicht verändert (1)
...verändert (2)


Gitterplätze. Wenn eine Teilchenart bereits eine geordnete Struktur aufweist, erkennen wir diese Struktur insgesamt auch noch als geordnet an, wenn sich eine zweite Teilchenart für sich betrachtet ungeordnet dazugesellt. In manchen Fällen kann sich die zweite Teilchenart aber auch eine eigene Ordnung schaffen.

Wir wählen zur Beschreibung immer eine Teilchenart für die Muttersubstanz: Im Beispiel der Abbildung 5.32 beschreiben die weißen Kugeln die Teilchen der Muttersubstanz durch ein geordnetes Quadratmaschenmuster. Im Verhältnis dazu wird dann die zweite Teilchenart betrachtet, ob sie geordnet oder ungeordnet eingebaut ist. Der ungeordnete Einbau wird auch statistisch genannt. Wir halten als weitere Unterscheidungsmerkmale (3) und (4) fest:


Gitterplätze der zweiten Teilchenart...
...geordnet (3)
...ungeordnet (4)




Abb. 3.13

Abbildung 5.32: Mögliche Anordnungen einer zweiten Teilchenart in ein bestehendes Gitter


Abb. 3.13

Abbildung 5.33: Modellvorstellungen zum Schmelzen eines Legierungskristalls


Schmelzverhalten. Häufig spielt bei Legierungen eine Rolle, auf welche Weise die unterschiedlichen Teilchenarten durch Wärmeschwingung aus dem Teilchenverband herausgebrochen werden. Ob dies bei beiden Teilchenarten gleichmäßig geschieht oder eine Teilchenart dabei bevorzugt wird, hängt vom Verhältnis der Kraftwirkungen der einzelnen Teilchenarten zueinander ab.

Nehmen wir als Beispiel einen Modellkristall, in dem wir uns die Kugeln "schwarz/schwarz - stark“, "weiß/schwarz - mittelstark" und "weiß/weiß - mittelstark" gebunden vorstellen. Beim Schmelzen oder "Zerschwingen" werden bevorzugt zunächst weiße Teilchen "herausgeschwungen", weil sie am schlechtesten eingebunden sind, ebenfalls diejenigen schwarzen Kugeln, die im Kristall hauptsächlich von weißen Kugeln umgeben sind.

Wenn der angegebene Modellkristall zu schmelzen beginnt, werden demnach die ersten gedachten Schmelztropfen hauptsächlich aus weißen Teilchen und einigen schwarzen Teilchen bestehen. Im ersten Schmelztropfen sind also die weißen Teilchen gegenüber den schwarzen Teilchen in weit größerer Anzahl vorhanden, als im festen, ursprünglichen Kristall. Im Modell der Abbildung 5.33 besitzt der ursprüngliche Kristall 50 Teilchenprozent weiße Teilchen, dagegen der Schmelztropfen 83,3 Teilchenprozent, im Restkristall ist der Anteil auf 33,3 Teilchenprozent gefallen. Allerdings ist der zurückbleibende Anteil an schwarzen Teilchen im Restkristall nun auf 66,6 Teilchenprozent gestiegen. Wenn wir weitere Teilchen vom Restkristall "herunterschwingen" wollen, müssen wir die Schwingungsintensität erhöhen, denn die schwarzen Teilchen sind ja fester gebunden. Wir erhöhen also die Temperatur. Der zweite Schmelztropfen enthält nun ebenfalls wieder etwas mehr weiße als schwarze Teilchen, aber doch im Verhältnis mehr schwarze Teilchen als im ersten Tropfen.

So geht das Schmelzen weiter, bis der Restkristall vollständig geschmolzen ist. Während des Schmelzvorganges muß also die Temperatur ständig etwas gesteigert werden, der Schmelzbeginn des Kristalls liegt bei einer bestimmten Temperatur und das Schmelzende bei einer etwas höheren: Der Kristall schmilzt innerhalb eines Temperaturintervalles, nicht bei einer feststehenden Temperatur. Wir können auch sagen, die Schmelztemperatur dieses Kristalls ist nicht konstant. Es soll nicht unerwähnt bleiben, daß beim Sammeln aller Schmelztropfen während des Schmelzens am Ende alle weißen und schwarzen Teilchen in der Summe wieder vorhanden sein müssen, wie sie im Kristall enthalten waren. Während des Schmelzvorgangs waren aber die Konzentrationen der Teilchen im Kristall und in der Schmelze immer unterschiedlich.

Nun gibt es durchaus auch Kristalle, die aus zwei Arten von Metall-Atomen bestehen und deren Schmelzen alle dasselbe Atomzahlenverhältnis, nämlich das des Kristalls aufweisen. Das kann nur dann der Fall sein, wenn die Kräfte der beiden Teilchensorten völlig gleich sind. Dann werden auch bei statistischer Verteilung und in jedem beliebigen Zahlenverhältnis die Teilchen unabhängig von ihrer Sorte in die Schmelze gehen. Die Konzentration ist während des Schmelzens immer die gleiche, die Schmelztemperatur bleibt während des gesamten Schmelzvorganges konstant. Wir halten das mögliche Schmelzen als Kennzeichen (5) und (6) fest:


Schmelztemperatur...

...nicht konstant (5)
...konstant (6)