3.3 Räumlich gerichtete Bindekraft (Grenztyp)
Es sind eine Menge von Teilchen bekannt, bei denen die Kraftwirkungen
nicht gleichmäßig um ein Teilchen verteilt sind. Die Erscheinung
ist mit anderer Kraftqualität bei vielen Magneten bekannt. Ein
Stabmagnet beispielsweise besitzt um sich herum nicht überall
die gleiche Kraftwirkung. Man kann das durch Abtasten mit einem Nagel
leicht experimentell nachprüfen. Beginnend an einem Pol ist die
Kraftwirkung am stärksten, zur Mitte nimmt sie spürbar ab
und weiter zum anderen Pol hin nimmt sie wieder zu. Wenn man die Stärke
der Kraft durch die Länge eines Pfeils darstellt, erhält
man ein Bild wie in Abbildung 3.2.
Die Linie der verbundenen Spitzen
würde dann den Abstand beschreiben, bei dem der Nagel jedesmal
mit der gleichen Kraft angezogen wird.
Wir machen wieder ein Gedankenexperiment. Wir tasten ein Wasserstoff-Atom, das
in einem aus zwei Wasserstoff-Atomen bestehenden Wasserstoff-Molekül gebunden
vorliegt, ringsherum nach seinen Kraftwirkungen ab. Es zeigt sich, daß nahezu
die gesamte Kraftwirkung nur von einer bestimmten Stelle der Oberfläche
aus senkrecht nach außen gerichtet ist. Nur in dieser Richtung bindet sich
das Wasserstoff-Atom kräftemäßig mit dem anderen Wasserstoff-Atom.
Die restliche Oberfläche beherbergt nur einen minimalen Rest der Bindekraft.
Zeichnerisch können wir die Information über diesen Sachverhalt
wie in Abbildung 3.3 darstellen. Der "Schnabel" in der Modellzeichnung
soll die Richtung und die Kraft, die für die Bindung zur Verfügung
gestellt wird, symbolisieren. Die Pünktchen um den größten
Teil des Modellatoms symbolisieren eine minimale räumlich ungerichtete
Restbindefähigkeit, mit der unter vielen Bedingungen nichts anzufangen
ist, weil sie zu schwach ist. Da die ganze Bindungskraft in den Raum
hinaus gebündelt, gerichtet ist, nennen wir sie "räumlich
gerichtete Bindekraft".
Entscheidend für die Verknüpfung beispielsweise zweier Wasserstoff-Atome
ist nun, daß die Kopplung von bestimmten Stellen beider Atome
im Wasserstoff-Molekül ausgeht. Nach dieser Verknüpfung ist
ein weiterer Ansatz zum Koppeln mit zusätzlichen Wasserstoff-Atomen
nicht mehr vorhanden. Das ist die Konsequenz dieser räumlich gerichteten
Bindefähigkeit.
Zu solch einer bereits durch ein anderes Atom beanspruchten Bindefähigkeit
sagt man auch: "die Bindung ist abgesättigt". Im Modell
sind die Kraftwirkungen der räumlich gerichteten Bindefähigkeiten
in einer symbolischen Länge gezeichnet. In Wirklichkeit sitzt
natürlich Teilchen direkt an Teilchen. Die Berührungsstelle
symbolisiert dann den Ort der räumlich gerichteten Bindefähigkeit
(Abb. 3.3).
Die Durchsicht der Teilchensorten mit räumlich gerichteter
Bindefähigkeit hat ergeben, daß nicht immer die gesamte
Bindekraft eines Teilchens in eine Richtung gebündelt sein muß.
Die Bindungskraft kann auch in mehreren Richtungen vom Teilchen in
den Raum hinaus ragen. Einige Beispiele zeigen Modelle der Abbildung
3.4.

Wie sich die Teilchen im Einzelfall verhalten, soll späteren
Kapiteln vorbehalten bleiben. Zur modellmäßigen Darstellung
hat es sich bewährt, an den Modellkugeln in Richtung der Bindekraft
Druckknöpfe oder ähnliches anzubringen. Auf diese Weise
ist es möglich, im Modell gerichtete Bindekraft mit gerichteter
Bindekraft zu koppeln. Wir werden diese Modellbauweise häufig
verwenden, da sich viele Bauprinzipien von Substanzen auf diese
Weise mit genügend großer Genauigkeit darstellen lassen.